radiojar

Einfach auf Sendung gehen

Ende der 70er und in den 80er Jahren war in Griechenland die große Zeit der Piratensender. Viele technikaffine, experimentierfreudige Teenager und Twens (heute würde man vermutlich von Nerds sprechen) probierten ihre neue Freiheit nach der Diktatur aus, indem sie überall neue Sender starteten. Manchmal Belangloses, oft Interessantes, teilweise Politisches: Es gab für jeden Geschmack etwas und ich war dabei, entweder am Radio oder auch mal im „Studio“, im Wohnzimmer von Bekannten, wenn sie ihre Röhrensender zum Glühen brachten. Der heute viel kritisierte und auch damals schon nicht wirklich funktionierende Staat hatte auch einen netten Nebeneffekt: Es war quasi legal, zumindest wurden Piratensender nicht verfolgt, solange man nicht die Frequenzen der staatlichen Sender störte und in einem beschränkten Senderadius blieb.

Die Welt hat sich seitdem weitergedreht und es gibt es tausende große und kleine Radiosender im Internet. Jeder kann machen und sagen, was er will, und trotz der Textdominanz des Internets und der unendlich vielen Angebote im Fernsehen, hat es bis heute nicht seinen Charme verloren jemandem live zuzuhören – heute oute ich mich: Ich bin ein großer Radiofan und besitze nicht mal einen Fernseher.

Jedoch selbst im Internetzeitalter braucht man eine gewisse Technikaffinität oder technische Unterstützung, um online auf Sendung zu gehen. Man benötigt Offline-Tools zum Mixen, wie MIXXX, Streaming-Server wie LIVE365 zum Bereitstellen oder Dienste zum automatischen Abspielen von Playlisten, wie bei Centova. Das griechische Unternehmen radiojar hat das erkannt und eine bemerkenswerte Geschäftsidee entwickelt. Was wäre, wenn die komplette Technik in der Cloud verschwindet und jedermann von überall auf Sendung  gehen könnte? Und das auch noch in Kombination mit neuen Möglichkeiten aus den sozialen Medien, um exaktere Statistiken über die Hörer zu bekommen, Radiostationen direkt in Facebook zu integrieren oder einfach nur um gleichgesinnte zusammenzubringen und gemeinsam auf Sendung zu gehen?

Der Dienst von radiojar

radiojar bietet innerhalb einer Oberfläche alles, was das Herz begehrt, um seinen eigenen Sender hochzuziehen. Neben der Reduktion der Technik auf die Bedienung einer Browser-Anwendung, wartet radiojar auch mit einer ganzen Reihe an Neuheiten auf:

Dass man von überall Radio hören kann, ist ein alter Hut, aber quasi die ganze Welt in die Produktion einer Sendung einzubinden, ist neu. So können die Übergänge zwischen den einzelnen Sendungen oder DJs nahtlos zentral gesteuert werden, egal wo sie sich gerade befinden.

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Sogar das gesamte Mischpult befindet sich im Internet, wie folgendes ältere Video zeigt:

Die Sendung läuft weiter, auch wenn mal die Internetverbindung zu einem Moderator oder DJ abbricht. Das fängt das System automatisch auf, indem es beispielsweise etwas aus der Playlist einbindet, ohne, dass der Zuhörer etwas merkt.

Durch die Einbindung in die sozialen Netzwerke können DJs für bestimmte Sendungen gebucht werden und es entstehen ganz neue Möglichkeiten, auf seinen Sender oder eine bestimmte Sendung Aufmerksamkeit zu richten.

Zu einem professionellen Radiosender gehört natürlich auch eine App. Daher wird demnächst eine Möglichkeit bereitgestellt, die es jedem radiojar-Sender ermöglicht, seine eigene App zu erzeugen und in den Store hochladen.

Spannend fand ich auch den ersten Betatest, den radiojar durchgeführt hat: Über eine Zusammenarbeit mit MTV und Nestlé Crunch, haben sie alle Interessierten aufgefordert einen 15 Minuten-Mix zu produzieren. Mehrere hundert DJs haben mitgemacht und mehrere tausend haben der Musik gelauscht und ihre Stimmen in Form von „likes“ abgegeben.

Das Unternehmen und erste Erfolge

Echten Unternehmergeist mit vollem Risiko haben die vier Gründer Spyros Pilathas, Stathis Koutsogeorgos, Fotis Politis und George Terezakis gleich zu Beginn gezeigt. Sie haben nicht nur selbst viel Zeit in die Planung und Entwicklung gesteckt, sondern auch gleich auf eigenes Risiko einen sechsstelligen Betrag in die Hand genommen und beschäftigen inzwischen fünf weitere Mitarbeiter.

Ihr Mut scheint sich zu lohnen und gerade ein Jahr nach der Gründung haben schon über 100.000 Nutzer irgendeinen der Dienste von radiojar ausprobiert, von denen ca. 3000 schon eigene Sendungen gemacht haben. Laut George Terezakis „laufen inzwischen 25 Radiosendungen als Piloten über radiojar und allein in den letzten 30 Tagen gab es 45.000 Zuhörer“. Ein erstaunlicher Erfolg innerhalb von kürzester Zeit.

Der erste Erfolg und ihre eigene Initiative macht sie sehr interessant für Investoren, sodass sie aktuell auf Augenhöhe auch über größere Finanzierungsrunden reden.

Das Geschäftsmodell von radiojar und erste Sender online

Das Geschäftsmodell ist sehr einfach und doch bestechend. Durch die konsequente Auslagerung und Zusammenführung aller Radiodienste in die Cloud können sie einfache und günstige Monatspreise anbieten, die auch für einen kleinen Sender sehr interessant sind.

Ihre Ideen gehen aber noch viel weiter. Über ihre für Radiostationen einmaligen statistischen Auswertemöglichkeiten bietet sich ein ganz neues Modell für die Werbeindustrie. Wie mir George Terezakis im Interview anvertraute, wollen sie „langfristig in Richtung Ad Word für Radiostationen“. Das bedeutet, dass man als Werber beispielsweise Werbe-Jingles einspielen kann und diese dann punktgenau in Sendungen mit bestimmten DJs, bestimmen Zuhörergruppen, bestimmten Musikrichtungen oder auch bestimmten Musiktiteln laufen. Über ein Revenue-Sharing zwischen Sender und radiojar profitieren alle davon.

Auch wenn ich am Anfang von Piratensendern gesprochen habe, eine der großen Zielgruppen von radiojar sind etablierte Sender. Bei den neuen Werbemöglichkeiten, neuen Interaktionsmöglichkeiten mit den Zuhörern, der Reduktion der Technik und das in Kombination mit sehr günstigen Preismodellen, würde es mich wundern, wenn es in zehn Jahren noch viele Radiosender gibt, die ohne radiojar auskommen. Erste radiojar-Sender sind schon online, wie beispielsweise die griechischen Sender VFM oder  Best von der Liberis-Gruppe, einer der größten Mediengruppen in Griechenland.

Last but not least: radiojar bietet nun ganz neue Möglichkeiten auch für Musik-Labels, DJs, Booking-Agenturen etc., die mit wenigen Klicks ihr eigenes Programm anbieten können. Ich bin gespannt, was sich um radiojar alles Neues entwickeln wird.

Viel Spaß beim Zuhören und Mitmachen!

taxibeat

Ich liebe Taxifahren!

Vielleicht kommt die Angewohnheit noch aus meiner Athener Zeit, aber seitdem ich denken kann, nehme ich mir ein Taxi, wenn ich schnell irgendwo hin muss und die sonstige Verkehrsanbindung zu mühsam, zu langsam oder einfach nicht da ist, wie beispielsweise nachts. Da ich kein Auto besitze, würde ich auch sagen, dass meine persönlichen Mobilitätkosten trotz des „Luxus“ eines Taxis den ich mir ab und zu leiste, weit unter denen eines typischen Autobesitzers liegen.

Das einzige Problem beim Taxifahren: Man weiß nicht, an wen man gerät. Ich habe schon einige skurrile Geschichten erlebt, von Fahrten mit vier „Mitfahrern“ in einem kleinen Auto („rutscht mal zusammen“), über schlecht gelaunte Fahrer, die non-stop über irgendein Ereignis (meist Politisches) herziehen, als ob sie gerade aus dem Film Conspiracy Theory entsprungen wären, oder gar Taxis ohne Sicherheitsgurt („vertraust du mir nicht, Alder?“). Es gibt aber auch viele tolle Geschichten, wie die von dem Taxifahrer aus Karlsruhe, der uns über die neuesten Entwicklungen in der Heavy-Metal-Szene aufgeklärt und uns ein paar seiner aktuellen Lieblingsstücke vorgespielt hat. Oder der Athener Taxifahrer, der sich so gefreut hat, zwei Mal innerhalb kürzester Zeit die gleiche Gruppe an Leuten zu transportieren (sehr selten in Athen), dass er uns die Fahrt geschenkt hat. Oder der New Yorker Taxifahrer, der selbst Grieche war und uns so die erste Sightseeing-Tour durch New York auf Griechisch bescherte. Schade nur, dass ich diese Erfahrungen nicht mit anderen teilen kann, bzw. vorgewarnt werden kann, auf was (oder wen) ich mich da einlasse. Wäre es nicht toll, wenn ich mir genau das Taxi und den Taxifahrer aussuchen könnte, das resp. den ich haben will?

Das griechische Unternehmen taxibeat hat diese Lücke erkannt und bietet seit 2011 einen weltweit einmaligen Dienst an: Über eine kostenlose App sieht man alle Taxis, die in der Nähe und aktuell  frei sind. Statt sich auf die Straße zu stellen und „Taxi!“ zu rufen, wählt man sich direkt ein Taxi aus und bestellt es. Der Taxifahrer erhält neben der Bestellung auch gleich einen Anfahrtsweg.

Die Anwendung

Der Clou ist, dass sich taxibeat, im Gegensatz zu anderen Taxi-Apps, wie die in Deutschland verbreiteten Apps myTaxi, Taxi.de oder die ganz neue BetterTaxi, die Taxizentralen umgeht und eine direkte Vermittlung zwischen Kunden und Fahrer herstellt. Über die Liste der aktuell in der Nähe befindlichen freien Taxis kann der Kunde ein Taxi nach seinen persönlichen Präferenzen auswählen, wie Nähe zum aktuellen Ort, den Autotyp, aber beispielsweise auch die Sprachen, die der Fahrer spricht, sodass auch ein Tourist, der kein Griechisch spricht, sich verständigen kann. Darüber hinaus kann der Kunde die Bewertungen und Kommentare einsehen und sich so vorab ein Bild vom Fahrer, Fahrstil etc. machen.

http://youtu.be/oa4ooNupJiQ

Märkte

taxibeat ist inzwischen so erfolgreich, dass „in Athen über 10% aller Taxis bereits damit ausgestattet sind und das Geschäft in Griechenland schon profitabel ist“, wie mir Nikos Drandakis, einer der Gründer von taxibeat, erzählte. „Die Technik steht schon seit über einem Jahr und die Hauptkosten entstehen im Marketing und dem schnellen Ausbau in neue Märkte“. Vor drei Monaten hat taxibeat den Standort Brasilien aufgemacht und dort bereits über 900 Taxis in Sao Paolo und Rio de Janeiro im Angebot. Parallel bauen sie aktuell die Standorte Rumänien, Norwegen und Frankreich (Paris) auf (LINKS).

taxibeat hat sich zu Beginn über Seedfunding vom griechischen OpenFund (http://www.theopenfund.com/) mit 50.000 € finanziert und dann in mehreren weiteren Finanzierungsrunden vor allem Investoren aus Griechenland an Bord geholt.

Deutschland ist bei der Expansion derzeit leider außen vor. „Wir konzentrieren uns aktuell auf Märkte, in denen noch wenig Infrastruktur vorliegt, also dort, wo die Qualität der Taxis und Taxifahrer sehr heterogen ist und es nicht so einfach ist, schnell ein Taxi über eine Zentrale zu bekommen“ betont Nikos Drandakis. „Wichtig für uns ist es, schnell an neuen Märkten die ersten zu sein“. Ich stimme dem zwar nicht 100% zu, da ich den Mehrwert auch für Deutschland sehe (ich bleibe nicht selten in der Warteschleife der Zentralen hängen und hätte mir einen direkten Zugriff auf die Fahrer gewünscht), aber ich kann schon verstehen, dass andere Märkte für taxibeat erst einmal interessanter sind.

Das Geschäftsmodell ist übrigens sehr einfach. Der Kunde zahlt nichts und der Taxifahrer einen kleinen Betrag pro Fahrt. Für die meisten Taxifahrer ist das ein gutes Geschäft, da sie nicht nur die Monatsgebühren sparen und viel mehr Fahrten machen können, sondern auch keine teure Funk-Ausrüstung benötigen und einfach ihr Smartphone für die Annahme der Fahrten benutzen können.

Eine kleine Anekdote am Rande: Im vermeintlich so fortschrittlichen und liberalen Norwegen versucht gerade die Taxizentralen-Lobby Stimmung zu machen und will taxibeat stoppen (norwegischer Artikel). Manchmal wundert man sich schon, wie wenig die Klischees eines Landes und die Realität zusammenpassen.

Also, wenn es kurzfristig schon nichts mit taxibeat in Deutschland wird, dann die App beim nächsten Urlaub in Griechenland oder Paris einpacken und vor allem zur nächsten Fußballweltmeisterschaft in Brasilien.

taxibeat, Taxi, Samba!

Wer mehr wissen will, hier noch ein Interview mit Nikos Drandakis (auf Englisch) und ein nettes Video über taxibeat (auf Portugiesisch mit griechischen Untertiteln zur Einstimmung auf die WM):

http://www.youtube.com/watch?v=H7Y114fML_M

workable

Verschlankung des Bewerbungsprozesses für kleine und mittlere Unternehmen

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie zeitaufwändig der Bewerbungsprozess für ein mittelständisches Unternehmen sein kann. Vor allem, wenn man für eine Stellenausschreibung viele Bewerbungen bekommt und man noch zu klein ist, um eine eigene Personalabteilung zu haben (HR-Abteilung). Wenn es schon in Deutschland aufwändig ist, für ein Unternehmen in Griechenland muss das die Hölle sein: Es kann sein, dass man als 10-Mann-Unternehmen in einem Land mit über 50% Jugendarbeitslosigkeit eine Stelle ausschreibt und plötzlich einige hunderte oder gar tausende Bewerbungen bekommt. In kleineren Unternehmen wird der Bewerbungsprozess üblicherweise „nebenbei“ abgewickelt, also neben dem eigentlichen Geschäft. Wenn man dann hunderte oder tausende Bewerbungen auf den Tisch hat, kann man sich erst einmal ein paar Wochen verkriechen, um die besten Kandidaten herauszufiltern.

Nikos Moraitakis und Spyros Magiatis haben das erkannt und Anfang des Jahres 2012 beschlossen, das griechische Unternehmen workable zu gründen. Ihr Zielmarkt sind kleine und mittelständische Unternehmen in ganz Europa mit 10 bis 200 Mitarbeitern – und davon gibt es unendlich viele. Mir gefällt die Anwendung besonders, weil sie von Mittelständlern für Mittelständler konzipiert ist: Wie Nikos Moraitakis sagt, geht es ihnen nicht darum, die nächste „sexy“ Anwendung zu bauen, sondern einfach ein Werkzeug bereitzustellen, das „sehr einfach zu bedienen ist, da die meisten Nutzer es nur phasenweise zu Bewerbungszeiten nutzen werden. workable hilft Mitarbeiter in Unternehmen beim Einstellen, deren Hauptjob nicht das Einstellen ist“.  Das ist sicher nicht „the next big thing“, aber eine gute und innovative Idee, die vielen Unternehmen in Europa helfen kann.

Die Idee

„Die Zukunft der Bewerbung besteht in der direkten Kopplung von Social Media“ sagt Nikos Moraitakis. Daher haben sie das System von Anfang an so konzipiert, dass der Bewerbungsprozess über Informationen aus LinkedIn, XING, viadeo etc. gesteuert wird.

Die Idee ist eigentlich ganz einfach und doch bestechend: Über ein zentrales Bewerberportal läuft der gesamte Bewerbungsprozess ab. Von der Stellenbeschreibung, die direkt über Social-Media-Kanäle verbreitet wird, über die automatische Klassifikation der Bewerbungen durch Analyse der Profile auf LinkedIn, XING etc., die Verteilung der Bewerbungen, die sich qualifizieren, an die entsprechenden Mitarbeiter, die Kommentierung und Meinungsbildung in den Teams bis hin zum Einladungsgespräch, Zusage bzw. Absage.

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Die zentrale Innovation und das größte Unterscheidungsmerkmal zu anderen, vor allem amerikanischen Plattformen, wie the Resumator, jobvite, oder SmartRecruiter, ist die volle Integration sozialer Medien und die Unterstützung des europäischen Bewerbungsprozesses (der in Amerika ganz anders abläuft). Die Ankündigung einer neuen offenen Stelle, aber noch viel wichtiger, die erste Einordnung der Bewerber kann über die Lebensläufe in LinkedIn oder XING quasi automatisiert ablaufen. Wer hat schon Zeit, 100 oder 1.000 PDF-Lebensläufe zu scannen und auszuwerten, um die Bewerber mit einem Abschluss in Informatik oder mehr als 5 Jahren Berufserfahrung als Senior Developer herauszusuchen.

Dabei denken die beiden Gründer gleich noch einen Schritt weiter und ergänzen die Bewerberinformationen beispielsweise um zusätzliche Rankings, wie die von Universitäten – woher sonst soll ich als griechischer Unternehmer wissen, dass der deutsche Bewerber mit einem Diplom von der Informatik-Fakultät in Karlsruhe an einer der besten Informatik-Fakultäten in Deutschland studiert hat 😉

Natürlich hat sich workable auch Gedanken über das Preismodell für die Zielgruppe der kleinen und mittelständischen Unternehmen gemacht: Die Dienstleistung wird über einen kleinen Monatsbeitrag abgerechnet, der gestaffelt ist nach der Anzahl der in diesem Monat laufenden Stellenanzeigen. Wenn man also gerade keine offenen Stellen hat, zahlt man auch nichts. Und mit wenigen Euro pro Monat und Stellenanzeige sind die Kosten auch sehr überschaubar – das Modell soll sich durch die Masse an kleinen an mittelständischen Unternehmen in ganz Europa oder sogar der Welt tragen.

Vier Monate nach Gründung ist das Unternehmen bereits in Griechenland und England aktiv und hat die Integration mit LinkedIn umgesetzt. Der Ausbau auf für das in Deutschland beliebte XING oder das in Frankreich weit verbreitete viadeo ist in Arbeit. Auch planen die beiden griechischen Unternehmer, in Deutschland und anderen europäischen Ländern Büros einzurichten und so auch in Nordeuropa ein paar neue Stellen zu schaffen.

Das Unternehmen und die Gründer

Was mich an dem griechischen Unternehmen jedoch besonders beeindruckt hat, sind die beiden Gründer und deren sehr schneller Erfolg: Obwohl das Unternehmen erst im Juli gegründet wurde, hat es bereits eine Finanzierung von über 100.000€ und ist gerade dabei weitere 600.000€ an Venture-Capital-Investitionen zu bekommen. Nach gerade mal zwei Wochen Betatest hat workable bereits 250 registrierte Unternehmen und sehr positives Feedback – und da sage man noch, dass niemand in Griechenland investiert.

Im Gespräch habe ich auch verstanden, warum sie so schnell so erfolgreich waren. Nikos Moraitakis und  Spyros Magiatis sehen sich als „Gründer der 2. Generation“. Sie haben selbst viele Jahre bei einem der erfolgreichsten Startups Griechenlands gearbeitet, der Firma Upstream und haben das Unternehmen als Mitarbeiter vom Startup bis hin zu einem Unternehmen mit 200 Angestellten begleitet. Aus dieser Zeit stammt auch ihre Erfahrung mit dem umständlichen Bewerbungsprozess. Die Firma Upstream hat sie bei der Gründung übrigens nicht nur durch Beratung dabei unterstützt, ihr eigenes Geschäft zu starten, sondern auch gleich zur ersten Finanzierung beigetragen. Die Idee „Gründer helfen Gründern“ verfolgen sie auch selbst weiter und helfen anderen griechischen Startups bei deren Gründung.

Im Nachgang habe ich noch ein sehr interessantes Gespräch mit Nikos darüber gehabt, was eigentlich den Unterschied zwischen einem deutschen, amerikanischen oder eben griechischen Startup ausmachen wird. Aber das ist ein weites Feld und es lohnt sich dazu sicher ein separater Blog-Beitrag.

incrediblue

Urlaub auf dem Meer

Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, auf einer Yacht Urlaub in der Ägäis oder im Ionischen Meer zu machen? Von Insel zu Insel zu schippern und in schönen Häfen Fisch zu essen, in einsamen Buchten die Sonne und den Strand zu genießen oder einfach irgendwo ins blaue Meer zu springen? Meistens verwirft man solche Gedanken sehr schnell: zu kompliziert, wem kann ich beim Mieten einer Yacht überhaupt vertrauen, ist bestimmt sowieso zu teuer – und so bleibt es meist beim Träumen.

Die griechische Firma incrediblue hat sich vorgenommen, das zu ändern. Das Startup aus Volos adaptiert die Idee der sozialen Marktplätze an die Vermietung von Yachten und will über einen Marktplatz für Seetourismus „Yachtbesitzer, Skipper und Urlauber zusammenbringen“, wie Antonis Fiorakis, einer der Gründer von Incrediblue, im Gespräch mit mir sagte. In Zukunft soll Yacht-mit-Crew-buchen so einfach werden, wie das Buchen von Hotels oder privaten Unterkünften schon heute ist.

incrediblue Startseite

Startseite von incrediblue (www.incrediblue.com)

Nicht nur Yachtbesitzer mit vielen Yachten, auch „kleinere“ Yachtbesitzer haben durch die direkte Vermittlung eine einfache Möglichkeit, ihr Angebot über incrediblue zu unterbreiten. Die Plattform übernimmt alle Formalitäten zur Abrechnung und Bewertung. Antonis Fiorakis betont, dass „es nicht viel kosten muss, einen erlebnisreichen Urlaub auf dem Meer zu verbringen“.
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Die drei Gründer Antonios Fiorakis, Theodoros Orfanidis und George Gatos und ihr Team transportieren und kombinieren als erstes Unternehmen weltweit das bewährte Geschäftsmodell von der Vermittlung von Privatunterkünften wie AirBNB  oder 9Flats sowie Hotelbuchung à la Booking.com oder HRS mit dem Ziel, Besitzer, Skipper und Urlauber zusammenzubringen. Eigentlich eine naheliegende Idee.

Wieso ist nicht schon früher jemand darauf gekommen ; )

Hier ein Video, in dem Antonis Fiorakis auf der NextWeb 2012 über incrediblue spricht:

incrediblue ist derzeit noch in einer frühen Finanzierungsphase und in Verhandlung mit diversen Venture-Capital-Firmen und Business Angels. Parallel hat incrediblue einen ersten Bestand an verfügbaren Yachten aufgebaut. Ende 2012 soll das System online gehen – gerade rechtzeitig, um den Urlaub 2013 zu planen.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

„Aktuell haben wir Yachten aus Griechenland, Kroatien, der Türkei und Portugal im Sortiment. Die Idee und das Geschäftsmodell sind jedoch auf einen weltweiten Markt ausgelegt“, so Antonis Fiorakis. Insofern künftig durchaus auch interessant für Yachtbesitzer und Urlauber an deutschen Küsten. Ich bin gespannt, wann ich die erste Yacht aus meinem Geburtsort Heiligenhafen auf incrediblue.com finde, mit einem der größten Yachthäfen Deutschlands.

Yachthafen Heiligenhafen

Yachthafen Heiligenhafen aufgenommen im Sommer 2012


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NOOWIT

Eine Frage der persönlichen Einstellung

Wer kennt das nicht: unendlich viele Beiträge in unendlich vielen Medien und das jeden Tag. Man wird bombardiert mit netten, überflüssigen, beeindruckenden oder uninteressanten Beiträgen und versucht mit viel Mühe und Zeitaufwand, die für einen persönlich spannenden Informationen aus dem Netz zu fischen.

Das griechische Unternehmen Noowit ist gerade dabei, eines der ältesten Probleme des Information-Filtering in einem massentauglichen Markt anzugehen. Ich bin gespannt, ob sich der Ansatz von Nikolaos Nanas und Christos Spiliopoulos durchsetzt.

Wer mich kennt, weiß, dass es mich besonders begeistert, wenn ich sehe, wie jahrelange universitäre Forschung in eine kommerziell verwertbare Software umgewandelt wird, noch dazu in einem hochkomplexen Bereich der persönlichen Informationsfilterung, an dem sich schon einige die Zähne ausgebissen haben.

Beispiel, wie NOOWIT dem Benutzer erscheint

Die Ideen zu Noowit entstanden im Forschungsprojekt Nootropia (frei übersetzt aus dem Griechischen: eine Denkweise, die eine Gruppe teilt oder ein Individuum hat; persönliche Einstellung, Lebensanschauung). Und der Name ist tatsächlich Programm: Die Anwendung basiert vor allem auf der Forschung von Nikolaos Nanas. Die Idee ist es, Algorithmen, die von der Biologie und speziell dem Immunsystem inspiriert sind, für die schnelle Adaption des Informationsflusses an die aktuelle Situation (Denkweise, Lebensanschauung) des Benutzers zu nutzen. Oder einfacher ausgedrückt: So wie sich das Immunsystem ständig an neue Einflüsse anpasst, passt sich die Webseite an den aktuellen Bedarf des Benutzers und der Informationen im Netz an.

Erster Test

Ich habe natürlich gleich nach einem Testzugang gefragt, um mir selbst einen Eindruck von der Anwendung zu verschaffen, und muss sagen: Respekt! Über eine sehr aufgeräumte Oberfläche, die sich mit Zeitschriften-Viewern wie Flipboard messen kann, erhält man Zugang zu den Artikeln aus unterschiedlichen englischsprachigen Medien. Die Bedienung ist sehr intuitiv. Wenn man nichts einstellen will, braucht man das auch nicht (dann ist es einfach ein Mash-up von Artikeln aus unterschiedlichen Zeitschriften). Man kann aber initiale Präferenzen angeben, also Kategorien (News, Sports, Art etc.) und innerhalb dieser Kategorien Informationsquellen (also Online-Zeitschriften) und in Zukunft auch Autoren, die einen besonders interessieren. Beim Lesen und Stöbern kann man (muss man aber nicht) dem System Hinweise geben, ob der Artikel relevant für einen ist oder nicht.

NOOWIT vor der Aktualisierung

So sah NOOWIT aus, als ich es zum ersten Mal angeschaut habe

Mit der Zeit stellt sich ein ganz persönliches Bild der Informationslage in der Welt ein. Für einen persönlich Relevantes wird angezeigt und Irrelevantes ausgeblendet.

Screenshot Noowit (OLD_3)

Noch ein Screenshot von NOOWIT

Noowit 2013

Einige Tage nach meinem ersten Test habe ich eine E-Mail bekommen, dass der Dienst jetzt vollständig überarbeitet werde. Ich war überrascht, da mir schon der erste Eindruck sehr gut gefallen hat. Also habe ich Nikolaos Nanas angerufen und mal gefragt, was dahinter steckt.

Auch wenn bereits in der aktuellen Version sichtbar ist, wie viele Gedanken sich das Team zu dem Thema gemacht hat, war ich selbst verblüfft, was sie noch alles vorhaben. Ihre Vision ist nichts Geringeres als „die Zukunft der Zeitschriften“ zu schaffen, wie Nikos Nanas es selbstbewusst nennt. Im Gespräch habe ich festgestellt, dass sie nicht nur tausend Ideen haben, sondern auch die Fähigkeiten, viele davon in Software umzusetzen. Nikos Nanas hat jahrelang im Bereich des Information-Filtering geforscht und darüber promoviert.

Man muss sich das neue Noowit, das vermutlich Anfang 2013 in eine private Betaphase geht, bestehend aus mehreren Teilen vorstellen:

  • „the collective“ ist das zentrale Magazin, in dem wie oben beschrieben, der Inhalt personalisiert, dem persönlichen Geschmack angepasst und immer aktuell erscheint.
  • Jeder Benutzer kann seine Sicht auf die Welt durch eigenen Content anreichern, entweder durch Verweis auf Artikel außerhalb von Noowit („read it later“) oder indem er in ein integriertes Blog selbst Beiträge schreibt.
  • Darauf aufbauend ist er dann in der Lage seine Sicht auf die Welt zu veröffentlichen und damit sein persönliches Magazin zu schaffen und dies anderen zur Verfügung zu stellen.
  • Besonders beliebte eigene Beiträge können auch in das Hauptportal „befördert“ werden, wenn sie von vielen Benutzern gelesen und gemocht werden.

Damit entsteht ein ganzes Konvolut aus Artikeln, „alten“ Zeitschriften, kommerziellem Content, Nachrichtendiensten und eben auch Blogbeiträgen, das sich für den Nutzer als zentraler Zugang zu seinen Interessen darstellt und sich an seinen persönlichen Geschmack anpasst – und das in Echtzeit zu der Veröffentlichung von Beiträgen.

Um das Ganze noch intuitiver bedienbar zu machen, nutzen sie eine ganze Reihe von neuartigen Algorithmen aus dem Bereich des Responsive Designs und erweitern diese noch um Aspekte, die das Design an die Interessen des Benutzers anpassen, beispielsweise durch deren Positionierung und Größe. Laut Nikolaos Nanas „wird damit der Nutzer sein persönliches Magazin erschaffen, in dem nur Sachen stehen, die ihn wirklich interessieren“.

Wenn sie es schaffen, tatsächlich ihr ganzes Know-how aus der künstlichen Intelligenz einzubauen, ist zu erwarten, dass sich das System sogar an kurzfristige Geschmacksänderungen oder auch größere Interessenverschiebungen eines Benutzers im Laufe der Jahre anpasst. Ich bin gespannt.

Ich hoffe die beiden Unternehmer halten das durch und finden genügend Kapital, um mittelfristig neben den englischsprachigen auch beispielsweise deutsche oder griechische Quellen einzubinden. In der griechischen Startup-Szene sind sie ja schon sehr aktiv und haben schon erste Auszeichnungen erhalten.

Für die alte Version werden leider keine neuen Accounts mehr angelegt. Wen das Thema aber interessiert, dem würde ich empfehlen sich schon mal unter www.noowit.com/ anzumelden. Aber ich werde sicher noch mal darüber berichten, sobald das neue System online ist.