Would you have invested?

Besuch in der Startup-City Athen

Ich kann mich noch daran erinnern, als vor vielen Jahren ein Bild als E-Mail die Runde machte. Es war ein Foto  mit dem Titel „would you have invested?“, auf dem eine Gruppe mit 11 Personen gezeigt wurde, die bei der Gründung oder sehr früh bei Microsoft dabei waren (das Bild gibt es übrigens hier: http://www.museumofhoaxes.com/photos/microsoft.html).

Irgendwie musste ich letzte Woche an dieses Bild denken. Ich war für ein paar Tage in Athen meine Eltern besuchen und habe mir gedacht, ich schau mal bei den Innovatoren vorbei, über die ich hier im Blog geschrieben habe. Da es doch schon eine ganze Menge waren, gab mir Christina Tsakona (übrigens eine Rechtanwältin, die sich auf Startups spezialisiert hat) den Tipp, doch alle ins 123p einzuladen, einem Arbeitsplatz für Startups  und sehr schönen Räumen im Zentrum von Athen.

Gesagt, getan. Ich habe mich sehr gefreut, dass sehr viele „meiner Eulen“, aber auch ein paar neue Gesichter dabei waren. Im Laufe des Abends kamen ca. 20 Gründer und wir hatten ein sehr schönes Treffen mit vielen Diskussionen über Griechenland, Deutschland, deren Beziehungen und Möglichkeiten und natürlich über griechische Startups.

Irgendwann zwischendrin haben wir ein Foto gemacht. Ich würde mich freuen, wenn es in 5 oder 10 Jahren auch einmal die Runde macht und sich einige ärgern, nicht früher investiert zu haben:

Whould you have invested in greek startups?

Whould you have invested in greek startups?

Vordere Reihe (von links nach rechts) : Nick Tsamis (eventora),  Ioannis Sclavos (123p), Dimitris Tsirikos (jupitee),  Christina Tsakona (Startup Rechtsanwältin),  Nektarios Sylligardakis (erasus),  konstantinos kyranakis (yepp),  George Terezakis (radiojar)

Hintere Reihe (von links nach rechts): Wassilios Kazakos (ich), George Giannakeas (warply), Gregory Zontanos (locish),  Alexandros Trimis (dopios),  Nikos Anagnostou (scicada, metablogging.gr),  Kostas Arkadas (parking defenders), Apostolos Apostolakis (e-food.gr, e-shop.gr, taxibeat, doctoranytime)

Das Foto hat übrigens die Journalistin Elina Makri mit meinem iPhone gemacht und einen sehr netten Beitrag über mein Blog und mich bei Dialogger.eu der Konrad Adenauer Stiftung geschrieben (auf Griechisch).

Ich freue mich über so viel Interesse und vor allem so viel Unternehmergeist. Ich bin sicher, dass wir das wiederholen werden.

radiojar

Einfach auf Sendung gehen

Ende der 70er und in den 80er Jahren war in Griechenland die große Zeit der Piratensender. Viele technikaffine, experimentierfreudige Teenager und Twens (heute würde man vermutlich von Nerds sprechen) probierten ihre neue Freiheit nach der Diktatur aus, indem sie überall neue Sender starteten. Manchmal Belangloses, oft Interessantes, teilweise Politisches: Es gab für jeden Geschmack etwas und ich war dabei, entweder am Radio oder auch mal im „Studio“, im Wohnzimmer von Bekannten, wenn sie ihre Röhrensender zum Glühen brachten. Der heute viel kritisierte und auch damals schon nicht wirklich funktionierende Staat hatte auch einen netten Nebeneffekt: Es war quasi legal, zumindest wurden Piratensender nicht verfolgt, solange man nicht die Frequenzen der staatlichen Sender störte und in einem beschränkten Senderadius blieb.

Die Welt hat sich seitdem weitergedreht und es gibt es tausende große und kleine Radiosender im Internet. Jeder kann machen und sagen, was er will, und trotz der Textdominanz des Internets und der unendlich vielen Angebote im Fernsehen, hat es bis heute nicht seinen Charme verloren jemandem live zuzuhören – heute oute ich mich: Ich bin ein großer Radiofan und besitze nicht mal einen Fernseher.

Jedoch selbst im Internetzeitalter braucht man eine gewisse Technikaffinität oder technische Unterstützung, um online auf Sendung zu gehen. Man benötigt Offline-Tools zum Mixen, wie MIXXX, Streaming-Server wie LIVE365 zum Bereitstellen oder Dienste zum automatischen Abspielen von Playlisten, wie bei Centova. Das griechische Unternehmen radiojar hat das erkannt und eine bemerkenswerte Geschäftsidee entwickelt. Was wäre, wenn die komplette Technik in der Cloud verschwindet und jedermann von überall auf Sendung  gehen könnte? Und das auch noch in Kombination mit neuen Möglichkeiten aus den sozialen Medien, um exaktere Statistiken über die Hörer zu bekommen, Radiostationen direkt in Facebook zu integrieren oder einfach nur um gleichgesinnte zusammenzubringen und gemeinsam auf Sendung zu gehen?

Der Dienst von radiojar

radiojar bietet innerhalb einer Oberfläche alles, was das Herz begehrt, um seinen eigenen Sender hochzuziehen. Neben der Reduktion der Technik auf die Bedienung einer Browser-Anwendung, wartet radiojar auch mit einer ganzen Reihe an Neuheiten auf:

Dass man von überall Radio hören kann, ist ein alter Hut, aber quasi die ganze Welt in die Produktion einer Sendung einzubinden, ist neu. So können die Übergänge zwischen den einzelnen Sendungen oder DJs nahtlos zentral gesteuert werden, egal wo sie sich gerade befinden.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Sogar das gesamte Mischpult befindet sich im Internet, wie folgendes ältere Video zeigt:

Die Sendung läuft weiter, auch wenn mal die Internetverbindung zu einem Moderator oder DJ abbricht. Das fängt das System automatisch auf, indem es beispielsweise etwas aus der Playlist einbindet, ohne, dass der Zuhörer etwas merkt.

Durch die Einbindung in die sozialen Netzwerke können DJs für bestimmte Sendungen gebucht werden und es entstehen ganz neue Möglichkeiten, auf seinen Sender oder eine bestimmte Sendung Aufmerksamkeit zu richten.

Zu einem professionellen Radiosender gehört natürlich auch eine App. Daher wird demnächst eine Möglichkeit bereitgestellt, die es jedem radiojar-Sender ermöglicht, seine eigene App zu erzeugen und in den Store hochladen.

Spannend fand ich auch den ersten Betatest, den radiojar durchgeführt hat: Über eine Zusammenarbeit mit MTV und Nestlé Crunch, haben sie alle Interessierten aufgefordert einen 15 Minuten-Mix zu produzieren. Mehrere hundert DJs haben mitgemacht und mehrere tausend haben der Musik gelauscht und ihre Stimmen in Form von „likes“ abgegeben.

Das Unternehmen und erste Erfolge

Echten Unternehmergeist mit vollem Risiko haben die vier Gründer Spyros Pilathas, Stathis Koutsogeorgos, Fotis Politis und George Terezakis gleich zu Beginn gezeigt. Sie haben nicht nur selbst viel Zeit in die Planung und Entwicklung gesteckt, sondern auch gleich auf eigenes Risiko einen sechsstelligen Betrag in die Hand genommen und beschäftigen inzwischen fünf weitere Mitarbeiter.

Ihr Mut scheint sich zu lohnen und gerade ein Jahr nach der Gründung haben schon über 100.000 Nutzer irgendeinen der Dienste von radiojar ausprobiert, von denen ca. 3000 schon eigene Sendungen gemacht haben. Laut George Terezakis „laufen inzwischen 25 Radiosendungen als Piloten über radiojar und allein in den letzten 30 Tagen gab es 45.000 Zuhörer“. Ein erstaunlicher Erfolg innerhalb von kürzester Zeit.

Der erste Erfolg und ihre eigene Initiative macht sie sehr interessant für Investoren, sodass sie aktuell auf Augenhöhe auch über größere Finanzierungsrunden reden.

Das Geschäftsmodell von radiojar und erste Sender online

Das Geschäftsmodell ist sehr einfach und doch bestechend. Durch die konsequente Auslagerung und Zusammenführung aller Radiodienste in die Cloud können sie einfache und günstige Monatspreise anbieten, die auch für einen kleinen Sender sehr interessant sind.

Ihre Ideen gehen aber noch viel weiter. Über ihre für Radiostationen einmaligen statistischen Auswertemöglichkeiten bietet sich ein ganz neues Modell für die Werbeindustrie. Wie mir George Terezakis im Interview anvertraute, wollen sie „langfristig in Richtung Ad Word für Radiostationen“. Das bedeutet, dass man als Werber beispielsweise Werbe-Jingles einspielen kann und diese dann punktgenau in Sendungen mit bestimmten DJs, bestimmen Zuhörergruppen, bestimmten Musikrichtungen oder auch bestimmten Musiktiteln laufen. Über ein Revenue-Sharing zwischen Sender und radiojar profitieren alle davon.

Auch wenn ich am Anfang von Piratensendern gesprochen habe, eine der großen Zielgruppen von radiojar sind etablierte Sender. Bei den neuen Werbemöglichkeiten, neuen Interaktionsmöglichkeiten mit den Zuhörern, der Reduktion der Technik und das in Kombination mit sehr günstigen Preismodellen, würde es mich wundern, wenn es in zehn Jahren noch viele Radiosender gibt, die ohne radiojar auskommen. Erste radiojar-Sender sind schon online, wie beispielsweise die griechischen Sender VFM oder  Best von der Liberis-Gruppe, einer der größten Mediengruppen in Griechenland.

Last but not least: radiojar bietet nun ganz neue Möglichkeiten auch für Musik-Labels, DJs, Booking-Agenturen etc., die mit wenigen Klicks ihr eigenes Programm anbieten können. Ich bin gespannt, was sich um radiojar alles Neues entwickeln wird.

Viel Spaß beim Zuhören und Mitmachen!