warply

Sie nehmen es persönlich: Mobile Media Marketing

Da ich dieses Blog eigentlich nicht für Marketingmanager schreibe, fällt es mir diesmal etwas schwer, den Einstieg zu finden. Ich versuche es mal aus meiner persönlichen Sicht, der eines häufig Beworbenen: Irgendwie mag ich Werbung. Allerdings nur, wenn sie mich anspricht, zu meinen Interessen passt und intelligent gemacht ist. Leider ist das nur selten der Fall. Idealerweise findet die Werbung auch den richtigen Zeitpunkt. Wenn ich gerade eine Bar oder Pizzeria suche, habe ich nichts gegen passende Vorschläge. Wenn der Teeladen meines Vertrauens mich beim Stadtbummel darauf hinweist, dass eine neue Teesorte angekommen ist, auch nicht – vor allem, wenn mir als Stammkunde auch noch ein Rabatt angeboten wird. Die Variationen können beliebig vielfältig sein und dabei Spaß machen. Nebenbei: Schlecht platzierte Werbung ist auch für Marketingmanager ein Problem, nicht nur, weil damit potentielle Kunden verärgert werden, sondern auch weil das Gießkannenprinzip sehr teurer ist – und wenig bringt.

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Die Phantasie kennt keine Grenzen

Das griechische Unternehmen Niobium Labs, das von Yiannis Doxaras und Dimitris Togias gegründet wurde, hat mit warply das Thema „mobile Marketing“ auf eine ganz neue Stufe der Personalisierung und Lokalisierung gebracht. Der Dienst lässt sich in jede App integrieren und ermöglicht Marketingmanagern, zielgerichtet Werbung zu schalten, abhängig vom Ort, von Präferenzen oder von aktuellen Ereignissen. George Giannakeas von warply erklärt das so: „Werbende möchten ein Win-Win-Szenario zwischen Werbenden und Beworbenen schaffen. So könnte beispielsweise die Deutsche Telekom als Hauptsponsor von Bayern München noch im Spiel und direkt nach einem Tor das T-Shirt des Torschützen an den ersten verschenken, der auf ‚ich bin der größte FC Bayern-Fan‘ klickt. Oder Heineken könnte einen Ehrenplatz auf der Bank für die zweite Halbzeit verschenken“. Das ergibt natürlich nur Sinn, wenn die Werbung an Besucher im Stadion geht, die tatsächlich Bayern-Fans sind.

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Mehr Beispiele hierzu gibt es auch im Video von warply:

Das Unternehmen und das Geschäftsmodell

Niobium Labs hat vor 3 Jahren als klassischer IT-Dienstleister im Bereich der App-Entwicklungen angefangen und ist innerhalb von kürzester Zeit von 3 auf 22 Mitarbeiter gewachsen. Mit einer Anfangsfinanzierung von 300.000€ ist der Erfolg von warply nach wenigen Monaten bereits so groß, dass es demnächst als eigenständiges Unternehmen ausgegründet wird.

warply funktioniert als Technologieanbieter, der sich über einen monatlichen Beitrag abhängig von der Art der Endgeräte finanziert. Damit ist warply ein Vermittler zwischen den großen Werbeunternehmen und den Unternehmen, deren Apps eine große Verbreitung haben. Besonders für Zeitschriften, die händeringend nach neuen Möglichkeiten suchen, den Anzeigeschwund in Printmedien durch neue Ansätze zu überwinden, ist das ein sehr interessantes Modell. So sind bereits zahlreiche griechische Zeitschriften, aber auch die drei größten griechischen Banken Kunden von warply. Inzwischen expandiert das Unternehmen international mit ersten größeren Erfolgen in Spanien, Lateinamerika und England. Die Referenzen sind bereits jetzt beeindruckend.

Mal sehen, wann der Teeladen meines Vertrauens mich unterwegs auf eine neue tolle Teesorte aufmerksam macht.

NOOWIT

Eine Frage der persönlichen Einstellung

Wer kennt das nicht: unendlich viele Beiträge in unendlich vielen Medien und das jeden Tag. Man wird bombardiert mit netten, überflüssigen, beeindruckenden oder uninteressanten Beiträgen und versucht mit viel Mühe und Zeitaufwand, die für einen persönlich spannenden Informationen aus dem Netz zu fischen.

Das griechische Unternehmen Noowit ist gerade dabei, eines der ältesten Probleme des Information-Filtering in einem massentauglichen Markt anzugehen. Ich bin gespannt, ob sich der Ansatz von Nikolaos Nanas und Christos Spiliopoulos durchsetzt.

Wer mich kennt, weiß, dass es mich besonders begeistert, wenn ich sehe, wie jahrelange universitäre Forschung in eine kommerziell verwertbare Software umgewandelt wird, noch dazu in einem hochkomplexen Bereich der persönlichen Informationsfilterung, an dem sich schon einige die Zähne ausgebissen haben.

Beispiel, wie NOOWIT dem Benutzer erscheint

Die Ideen zu Noowit entstanden im Forschungsprojekt Nootropia (frei übersetzt aus dem Griechischen: eine Denkweise, die eine Gruppe teilt oder ein Individuum hat; persönliche Einstellung, Lebensanschauung). Und der Name ist tatsächlich Programm: Die Anwendung basiert vor allem auf der Forschung von Nikolaos Nanas. Die Idee ist es, Algorithmen, die von der Biologie und speziell dem Immunsystem inspiriert sind, für die schnelle Adaption des Informationsflusses an die aktuelle Situation (Denkweise, Lebensanschauung) des Benutzers zu nutzen. Oder einfacher ausgedrückt: So wie sich das Immunsystem ständig an neue Einflüsse anpasst, passt sich die Webseite an den aktuellen Bedarf des Benutzers und der Informationen im Netz an.

Erster Test

Ich habe natürlich gleich nach einem Testzugang gefragt, um mir selbst einen Eindruck von der Anwendung zu verschaffen, und muss sagen: Respekt! Über eine sehr aufgeräumte Oberfläche, die sich mit Zeitschriften-Viewern wie Flipboard messen kann, erhält man Zugang zu den Artikeln aus unterschiedlichen englischsprachigen Medien. Die Bedienung ist sehr intuitiv. Wenn man nichts einstellen will, braucht man das auch nicht (dann ist es einfach ein Mash-up von Artikeln aus unterschiedlichen Zeitschriften). Man kann aber initiale Präferenzen angeben, also Kategorien (News, Sports, Art etc.) und innerhalb dieser Kategorien Informationsquellen (also Online-Zeitschriften) und in Zukunft auch Autoren, die einen besonders interessieren. Beim Lesen und Stöbern kann man (muss man aber nicht) dem System Hinweise geben, ob der Artikel relevant für einen ist oder nicht.

NOOWIT vor der Aktualisierung

So sah NOOWIT aus, als ich es zum ersten Mal angeschaut habe

Mit der Zeit stellt sich ein ganz persönliches Bild der Informationslage in der Welt ein. Für einen persönlich Relevantes wird angezeigt und Irrelevantes ausgeblendet.

Screenshot Noowit (OLD_3)

Noch ein Screenshot von NOOWIT

Noowit 2013

Einige Tage nach meinem ersten Test habe ich eine E-Mail bekommen, dass der Dienst jetzt vollständig überarbeitet werde. Ich war überrascht, da mir schon der erste Eindruck sehr gut gefallen hat. Also habe ich Nikolaos Nanas angerufen und mal gefragt, was dahinter steckt.

Auch wenn bereits in der aktuellen Version sichtbar ist, wie viele Gedanken sich das Team zu dem Thema gemacht hat, war ich selbst verblüfft, was sie noch alles vorhaben. Ihre Vision ist nichts Geringeres als „die Zukunft der Zeitschriften“ zu schaffen, wie Nikos Nanas es selbstbewusst nennt. Im Gespräch habe ich festgestellt, dass sie nicht nur tausend Ideen haben, sondern auch die Fähigkeiten, viele davon in Software umzusetzen. Nikos Nanas hat jahrelang im Bereich des Information-Filtering geforscht und darüber promoviert.

Man muss sich das neue Noowit, das vermutlich Anfang 2013 in eine private Betaphase geht, bestehend aus mehreren Teilen vorstellen:

  • „the collective“ ist das zentrale Magazin, in dem wie oben beschrieben, der Inhalt personalisiert, dem persönlichen Geschmack angepasst und immer aktuell erscheint.
  • Jeder Benutzer kann seine Sicht auf die Welt durch eigenen Content anreichern, entweder durch Verweis auf Artikel außerhalb von Noowit („read it later“) oder indem er in ein integriertes Blog selbst Beiträge schreibt.
  • Darauf aufbauend ist er dann in der Lage seine Sicht auf die Welt zu veröffentlichen und damit sein persönliches Magazin zu schaffen und dies anderen zur Verfügung zu stellen.
  • Besonders beliebte eigene Beiträge können auch in das Hauptportal „befördert“ werden, wenn sie von vielen Benutzern gelesen und gemocht werden.

Damit entsteht ein ganzes Konvolut aus Artikeln, „alten“ Zeitschriften, kommerziellem Content, Nachrichtendiensten und eben auch Blogbeiträgen, das sich für den Nutzer als zentraler Zugang zu seinen Interessen darstellt und sich an seinen persönlichen Geschmack anpasst – und das in Echtzeit zu der Veröffentlichung von Beiträgen.

Um das Ganze noch intuitiver bedienbar zu machen, nutzen sie eine ganze Reihe von neuartigen Algorithmen aus dem Bereich des Responsive Designs und erweitern diese noch um Aspekte, die das Design an die Interessen des Benutzers anpassen, beispielsweise durch deren Positionierung und Größe. Laut Nikolaos Nanas „wird damit der Nutzer sein persönliches Magazin erschaffen, in dem nur Sachen stehen, die ihn wirklich interessieren“.

Wenn sie es schaffen, tatsächlich ihr ganzes Know-how aus der künstlichen Intelligenz einzubauen, ist zu erwarten, dass sich das System sogar an kurzfristige Geschmacksänderungen oder auch größere Interessenverschiebungen eines Benutzers im Laufe der Jahre anpasst. Ich bin gespannt.

Ich hoffe die beiden Unternehmer halten das durch und finden genügend Kapital, um mittelfristig neben den englischsprachigen auch beispielsweise deutsche oder griechische Quellen einzubinden. In der griechischen Startup-Szene sind sie ja schon sehr aktiv und haben schon erste Auszeichnungen erhalten.

Für die alte Version werden leider keine neuen Accounts mehr angelegt. Wen das Thema aber interessiert, dem würde ich empfehlen sich schon mal unter www.noowit.com/ anzumelden. Aber ich werde sicher noch mal darüber berichten, sobald das neue System online ist.