Kalamata Valley

Eine Tech-Szene im Werden

Ich weiß nicht, wie viele von euch Kalamata kennen oder wer gar schon mal da war. Bekannt sind die Stadt Kalamata und die Region Messinien auf dem Südpeleponnes wegen der Oliven. Als einziges mir bekanntes „Brand“ im Bereich Oliven findet man Kalamata-Oliven und das entsprechende Olivenöl auf der ganzen Welt. Wir haben es sogar einmal in einem kleinen Supermarkt eines verschlafenen Nests in Oregon gefunden. Da meine Eltern dort ein Ferienhaus haben, habe ich das Glück, ab und zu dort meine Ferien zu verbringen – im eigenen Olivenhain, sehr schön! – und bringe uns immer eigenes Olivenöl mit, sehr lecker!

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Dieses Jahr war ich wieder dort und habe mir gedacht, ich schau mir mal die lokale Startup- und Tech-Szene an. In meinen früheren Gesprächen ist mir aufgefallen, dass einige der Gründer, mit denen ich geredet habe, aus Kalamata kommen, wie beispielsweise die Gründer von Locish, Intelen und Peekintoo. Alle drei Startups sind inzwischen mehr in Athen, New York und San Francisco unterwegs, aber dennoch. Ich habe also eine kurze Anfrage in Facebook gepostet und siehe da: Immerhin 7 Namen sind gefallen. Ich habe mich mit einigen getroffen und so einen kleinen Einblick bekommen. Los geht’s:

Events

Einen ersten Impuls zu Organisation der Tech-Szene in Kalamata lieferte Yiorgos Dedes. Er ist selbst ein „Neig‘schmeckter“ und organisiert zusammen mit Panagiotis Lyras und weiteren Freunden das Open Coffee Kalamata. Im Open Coffee, das in Athen, Thessaloniki und anderen griechischen Städten ebenfalls organisiert wird, ist ein inoffizielles Treffen von Startups und Technologiebegeisterten. Das Open Coffee Kalamata hat sich inzwischen etabliert und finden alle 1-2 Monate statt. Yiorgos überlegt gerade, ob er auch hilft, einen Co-Working-Space zu organisieren, einmal für die ansässigen Gründer, aber warum nicht darüber hinaus für Gründer und Entwickler aus der ganzen Welt? Ich kann mir gut verstellen, dass viele gerne eine Zeitlang in einer der schönsten Gegenden der Welt zwischen Meer und Bergen arbeiten würden; vorausgesetzt es gibt WLAN – und das gibt es.

Ein anderes Event, das auch international viel Aufsehen erregt hat, ist das TEDxKalamata. Als Sommerevent konzipiert, findet die Veranstaltung mit internationalen Rednern einmal im Jahr statt – und das Besondere: Es ist weltweit die einzige TEDx-Konferenz, die in der einmaligen Atmosphäre eines antiken Amphitheaters stattfindet (in Messene).

Kochen wie ein Grieche

Ganz bescheiden wirken die beiden Unternehmer Stella Tsala und Konstantinos Kokkorogiannis, die ich im Café getroffen habe. Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie das größte Portal und die größte Community mit griechischen Rezepten aufgebaut haben. Sintagespareas.gr beschäftigt inzwischen 20 Mitarbeiter, hat über 17.000 Rezepte und einige Millionen Nutzer. Wen man sich online mit griechischer Küche beschäftigen will, kommt man nicht an den beiden vorbei. Aktuell ist das Portal nur auf Griechisch verfügbar, aber die Vorbereitungen für ihren internationalen Launch laufen. Unter dem Motto „cook like a greek“ wollen sie das zentrale Portal für griechische Küche weltweit werden. Spannend fand ich auch ihren Ansatz zur verteilten Organisation des Unternehmens: Außer den beiden Gründern, die bewusst nach Kalamata gezogen sind, sind alle Mitarbeiter quer über Griechenland und die Welt verteilt – Internet, Skype und Hangouts machen es möglich.

LIA Olivenöl

Bemerkenswert fand ich auch den Ansatz von Cristina Stribacu. Ausgehend von der eigenen Olivenöl-Produktion ihres Bruders ist sie gerade dabei, ein eigenes Label für Olivenöl zu kreieren, einschließlich internationaler Vertriebsnetze über Delikatessläden in der ganzen Welt. Auch wenn Lia kein klassisches Technologie-Startup ist, fand ich doch sehr interessant, wie systematisch und professionell Cristina ihr internationales Geschäft aufbaut. Ausgehend von einem hochqualitativen Öl, verpackt in einem sehr schönen Flacon, geht Lia Olivenöl wie ein Startup vor und durchläuft aktuell das Inkubationsprogramm von Orange Grove. In Paris kann man das Öl schon kaufen. 15 weitere Städte oder Länder sind das Ziel für dieses Jahr. Ich bin gespannt, wann die ersten Delikatessen-Läden in Deutschland Lia-Öl vertreiben werden.

LIA

Organery

Der innovativste Ansatz, den ich in diesen Tagen kennen gelernt habe, kommt von den beiden Gründern von Organery, Yiannis Mourgis und Ippokratis Papadimitrakos. Ein Mülltrennungskonzept mit Kompostierung vor Ort und Gamification-Ansatz. Aber ich will noch nicht zu viel verraten, da ich dazu einen separaten Beitrag verfassen werde.

Gesamteindruck

Zugegebenermaßen ist Kalamata und die Region sicher noch nicht das Tech-Zentrum, das es vielleicht sein könnte. Aber es sind schon mehr Initiativen und Personen aktiv, als man mal eben besuchen kann. Man merkt auch, dass viele, die in der Region verwurzelt sind, oder sich Kalamata zur Wahlheimat gemacht haben, auch dort bleiben wollen. Und sie fangen an, sich zu organisieren. Die ersten Keimzellen sind da, eine Universität und eine Fachhochschule gibt es auch und seit ein paar Jahren sogar einen internationalen Flughafen. Zusammen mit der atemberaubenden Landschaft, dem urbanen Stadtkern und den vielfältigen Freizeitmöglichkeiten in den Bergen und an oder auf der See: ein optimaler Standort für ein „Kalamata Valley“.

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Ich bin gespannt, wie sich das weiter entwickelt, und bleibe schon aus persönlichem Interesse sicher dran.

Cookisto

Fast Slow-Food für dich persönlich zubereitet

Gefüllte Tomaten, Giouvarlakia oder Lammbraten mit Kartoffeln als Hauptspeise, kombiniert mit einem Rotwein aus Nemea oder vom Berg Athos und danach noch ein großes Galaktoboureko … Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn ich nur daran denke. Entgegen dem in Deutschland verbreiteten Klischee des Griechen mit der Akropolis-Platte ist die griechische Küche am Kreuzweg der Kulturen auf dem Balkan, der Türkei, Italien, dem Nahen Osten sowie Afrika und in Kombination  mit den tausenden endemischen Pflanzen und Kräutern vermutlich eine der vielfältigsten und einfallsreichsten der Welt – glaubt mir, ich habe schon viel gegessen.

CoverPhotoCookisto

Dennoch breiten sich natürlich auch in Griechenland immer mehr Fast-Food-Ketten und Take-Away-Restaurants aus. Wer hat in der heutigen Zeit noch die Muße, sich jeden Tag ein aufwändiges Gericht zu machen – und die sagenumwobene „Μαμά“ ist auch in Griechenland inzwischen Unternehmerin, Professorin, Rechtanwältin und hat Besseres zu tun, als ihrem Sohn das Mittagessen zu bringen.

Hyper-local peer-to-peer marketplace for food

Das griechische Unternehmen Cookisto hat hier als eins der ersten Unternehmen weltweit die Marktlücke entdeckt und entwickelt nach dem Prinzip der hyperlocal-peer-to-peer-Marktplätze (gibt es dafür eigentlich ein deutsches Wort?) eine Plattform, die Köche und Esser („Foodies“) zusammenbringt. Die Grundidee: Wenn jemand für sich selbst oder seine Familie kocht, macht er einfach ein paar Portionen mehr und bietet sie über Cookisto zu einem fairen Preis an. Ein Foodie sieht das Tagesangebot in seiner Nähe und meldet sich an. Der Koch kann die Anfrage annehmen (oder auch nicht) und der Deal ist gemacht. Manche Köche bringen das Essen sogar, wenn es in der Nähe ist.  Es handelt sich damit um ein ähnliches Geschäftsmodell wie schon bei airbnb9Flats oder auch dem griechischen Unternehmen incrediblue, nur eben für selbstgemachtes Essen. Die Idee und Durchführung war so bestechend, dass sie es gleich ins Finale des europäischen Startup-Wettbewerbs in Holland geschafft haben.

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Wer jetzt immer noch kein Hunger hat, kann sich zwischendurch dieses Video anschauen:

Die Gründer und die Geschichte

Michalis Gkontas und Petros Pitsilis haben vor nicht mal einem Jahr die Idee entwickelt und noch Panayiotis Paradellis, Yannis Asimakopoulos und Dimosthenis Nikoudis ins Team geholt. Dabei sind sie von Anfang an sehr professionell vorgegangen und haben (wie inzwischen so häufig in Griechenland) mit einem 0€-Marketing-Budget bereits Erstaunliches erreicht.

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Michalis Gkontas war für ein Jahr nach seinem Studium auf einem Postgraduierten-Studium in Lyon, Shanghai und Boston und hat in diesem Rahmen die Geschäftsidee entwickelt. Kaum war er fertig, hat er losgelegt. „Wir haben im September die Testphasen abgeschlossen und sind seitdem operativ mit Schwerpunkt Athen. Da wir kein Geld für Marketing hatten, haben wir sehr früh mit der Presse in Griechenland gesprochen, die die Idee toll fand und gleich aufgegriffen hat“, sagt Michalis Gkontas. Nach kaum drei Monaten haben sie bereits 4500 Nutzer und auf der Startseite http://www.cookisto.com/ kann man sehen, wo es demnächst etwas Gutes zu essen gibt.

Finanzierung und Expansion

Nach dem erfolgreichen Start sind sie gerade dabei, ihre erste Finanzierung zu sichern, mit der sie in den nächsten 6-9 Monaten in Griechenland weiter expandieren wollen. „Demnächst wollen wir auch eine mobile App bereitstellen, sodass man immer sehen kann, wo es was in der Nähe zu essen gibt“, so Michalis. Das ist sicherlich auch für Touristen interessant, die mal zu Abwechslung selbstgemachtes griechisches Essen genießen wollen.  Auch der nächste Schritt der Expansion Richtung Italien und Türkei ist schon in Planung.

Ich freue mich schon auf meinen nächsten Besuch in Athen und habe mich mit Michalis verabredet bei einem Cookisto-Koch in der Nähe schnell etwas Tolles zu essen.

Guten Appetit!

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