Vielversprechend #7: Organery

Die Zukunft des Recyclings

Da kann kein produzierendes Gewerbe mithalten: Die Staaten der Europäischen Union produzieren mehr als 2,5 Milliarden Tonnen Abfall pro Jahr, Tendenz steigend. Recycling, Grüner Punkt, Verbrennung und Energiegewinnung: Das Geschäft mit unserem Abfall boomt. Nur die Produzenten des Abfalls gehen leer aus – ich protestiere.

Dabei ist inzwischen bekannt, dass Abfall bares Geld wert ist – natürlich nur, wenn er richtig verwertet wird. Um es auf die Spitze zu treiben: Da ich zu den Produzenten von Abfall gehöre, müsste ich eigentlich auch mit der Wiederverwertung Geld verdienen können. Und nach den gültigen Marktregeln wäre mein Ansporn, zur besseren Verwertung beizutragen, wesentlich höher, wenn ich bei jedem Gang zur Mülltonne noch etwas verdienen könnte.

Intelligente Kompostierung

Organery_Startseite

Ich bin eher zufällig auf die beiden Gründer von Organery bei einem Besuch in Kalamata  gestoßen. Ein Bekannter aus meiner Facebook-Timeline hat mir empfohlen, mich mal mit Yiannis Mourgis und Ippokratis Papadimitrakos in Kalamata zu treffen. Und ich muss sagen, dass ich schwer beeindruckt bin:

Die vielversprechende Idee von Organery besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten: Zunächst einmal wollen sie intelligente Kompostierungsanlagen bauen, die beim Einwurf von Bio-Abfällen direkt die Qualität prüfen und die Kompostierung vor Ort durchführen. Dadurch erhöht sich die Qualität des Komposts und die Transportkosten werden reduziert, wenn die Kompostierung vor Ort und vor dem Transport stattfindet. Neben der Anlage für Bio-Abfälle haben sie noch eine für Speiseöle in der Planung, die für die Erzeugung von Bio-Kraftstoffen geeignet ist. Das ist natürlich besonders interessant für eine olivenölproduzierende und viel Olivenöl konsumierende Region wie Kalamata.

Innovation und Gamification

Der Clou ist aber meiner Meinung nach ihr Ansatz, die Bevölkerung dazu zu bringen mitzumachen: Jeder, der mitmachen möchte, muss sich identifizieren und ein kleines Online-Training durchführen. Dann bekommt er die Freischaltung auf seiner App und muss sich vor dem Einwurf authentifizieren. Wirft er etwas Ungeeignetes ein, wird er verwarnt oder der Zugang wird gesperrt und er muss sich neu prüfen lassen (wie beim Idiotentest für Autofahrer). Ist sein Einwurf qualitativ hochwertig, bekommt er Punkte gutgeschrieben, die er dann in den regionalen Supermärkten in Waren umwandeln kann.

Durch diese Kombination von intelligenter Vorortkompostierung und dem Gamification-Ansatz erhoffen sie sich nicht nur eine bessere Qualität des wiederverwertbaren Materials, sondern auch eine Sensibilisierung für die Notwendigkeit des Recyclings. Dieses Mehr an Qualität und Kosteneinsparung geben sie zu Teilen an den Bürger zurück – sodass der „Produzent“ auch etwas davon hat und motiviert ist mitzumachen.

Aktueller Stand

Die beiden Gründer von Organery haben mit ihrer Idee bereits einige Innovationspreise gewonnen und entwickeln aktuell zusammen mit einem griechischen Hersteller die ersten Prototypen, die noch 2014 fertig werden sollen. Noch ist das ganze Unternehmen selbstfinanziert und die Preise, die sie gewonnen haben, helfen auch ein bisschen. Sie sind außerdem schon im Gespräch mit einigen Gemeinden in Griechenland, die starkes Interesse zeigen und bei der Pilotierung helfen wollen.

Organery_Gründer

Es gibt gute Ideen, große Ideen und sehr große Ideen. Organery gehört mit Sicherheit zur letzten Kategorie. Ich bin mir sicher, dass so oder so ähnlich die Zukunft des Recyclings in Europa und vielleicht in der Welt aussehen wird und würde mich freuen, wenn ich in 1-2 Jahren die ersten Organery-Biotonnen in Deutschland sehen würde.

Kalamata Valley

Eine Tech-Szene im Werden

Ich weiß nicht, wie viele von euch Kalamata kennen oder wer gar schon mal da war. Bekannt sind die Stadt Kalamata und die Region Messinien auf dem Südpeleponnes wegen der Oliven. Als einziges mir bekanntes „Brand“ im Bereich Oliven findet man Kalamata-Oliven und das entsprechende Olivenöl auf der ganzen Welt. Wir haben es sogar einmal in einem kleinen Supermarkt eines verschlafenen Nests in Oregon gefunden. Da meine Eltern dort ein Ferienhaus haben, habe ich das Glück, ab und zu dort meine Ferien zu verbringen – im eigenen Olivenhain, sehr schön! – und bringe uns immer eigenes Olivenöl mit, sehr lecker!

Kalamata_Valley

Dieses Jahr war ich wieder dort und habe mir gedacht, ich schau mir mal die lokale Startup- und Tech-Szene an. In meinen früheren Gesprächen ist mir aufgefallen, dass einige der Gründer, mit denen ich geredet habe, aus Kalamata kommen, wie beispielsweise die Gründer von Locish, Intelen und Peekintoo. Alle drei Startups sind inzwischen mehr in Athen, New York und San Francisco unterwegs, aber dennoch. Ich habe also eine kurze Anfrage in Facebook gepostet und siehe da: Immerhin 7 Namen sind gefallen. Ich habe mich mit einigen getroffen und so einen kleinen Einblick bekommen. Los geht’s:

Events

Einen ersten Impuls zu Organisation der Tech-Szene in Kalamata lieferte Yiorgos Dedes. Er ist selbst ein „Neig‘schmeckter“ und organisiert zusammen mit Panagiotis Lyras und weiteren Freunden das Open Coffee Kalamata. Im Open Coffee, das in Athen, Thessaloniki und anderen griechischen Städten ebenfalls organisiert wird, ist ein inoffizielles Treffen von Startups und Technologiebegeisterten. Das Open Coffee Kalamata hat sich inzwischen etabliert und finden alle 1-2 Monate statt. Yiorgos überlegt gerade, ob er auch hilft, einen Co-Working-Space zu organisieren, einmal für die ansässigen Gründer, aber warum nicht darüber hinaus für Gründer und Entwickler aus der ganzen Welt? Ich kann mir gut verstellen, dass viele gerne eine Zeitlang in einer der schönsten Gegenden der Welt zwischen Meer und Bergen arbeiten würden; vorausgesetzt es gibt WLAN – und das gibt es.

Ein anderes Event, das auch international viel Aufsehen erregt hat, ist das TEDxKalamata. Als Sommerevent konzipiert, findet die Veranstaltung mit internationalen Rednern einmal im Jahr statt – und das Besondere: Es ist weltweit die einzige TEDx-Konferenz, die in der einmaligen Atmosphäre eines antiken Amphitheaters stattfindet (in Messene).

Kochen wie ein Grieche

Ganz bescheiden wirken die beiden Unternehmer Stella Tsala und Konstantinos Kokkorogiannis, die ich im Café getroffen habe. Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie das größte Portal und die größte Community mit griechischen Rezepten aufgebaut haben. Sintagespareas.gr beschäftigt inzwischen 20 Mitarbeiter, hat über 17.000 Rezepte und einige Millionen Nutzer. Wen man sich online mit griechischer Küche beschäftigen will, kommt man nicht an den beiden vorbei. Aktuell ist das Portal nur auf Griechisch verfügbar, aber die Vorbereitungen für ihren internationalen Launch laufen. Unter dem Motto „cook like a greek“ wollen sie das zentrale Portal für griechische Küche weltweit werden. Spannend fand ich auch ihren Ansatz zur verteilten Organisation des Unternehmens: Außer den beiden Gründern, die bewusst nach Kalamata gezogen sind, sind alle Mitarbeiter quer über Griechenland und die Welt verteilt – Internet, Skype und Hangouts machen es möglich.

LIA Olivenöl

Bemerkenswert fand ich auch den Ansatz von Cristina Stribacu. Ausgehend von der eigenen Olivenöl-Produktion ihres Bruders ist sie gerade dabei, ein eigenes Label für Olivenöl zu kreieren, einschließlich internationaler Vertriebsnetze über Delikatessläden in der ganzen Welt. Auch wenn Lia kein klassisches Technologie-Startup ist, fand ich doch sehr interessant, wie systematisch und professionell Cristina ihr internationales Geschäft aufbaut. Ausgehend von einem hochqualitativen Öl, verpackt in einem sehr schönen Flacon, geht Lia Olivenöl wie ein Startup vor und durchläuft aktuell das Inkubationsprogramm von Orange Grove. In Paris kann man das Öl schon kaufen. 15 weitere Städte oder Länder sind das Ziel für dieses Jahr. Ich bin gespannt, wann die ersten Delikatessen-Läden in Deutschland Lia-Öl vertreiben werden.

LIA

Organery

Der innovativste Ansatz, den ich in diesen Tagen kennen gelernt habe, kommt von den beiden Gründern von Organery, Yiannis Mourgis und Ippokratis Papadimitrakos. Ein Mülltrennungskonzept mit Kompostierung vor Ort und Gamification-Ansatz. Aber ich will noch nicht zu viel verraten, da ich dazu einen separaten Beitrag verfassen werde.

Gesamteindruck

Zugegebenermaßen ist Kalamata und die Region sicher noch nicht das Tech-Zentrum, das es vielleicht sein könnte. Aber es sind schon mehr Initiativen und Personen aktiv, als man mal eben besuchen kann. Man merkt auch, dass viele, die in der Region verwurzelt sind, oder sich Kalamata zur Wahlheimat gemacht haben, auch dort bleiben wollen. Und sie fangen an, sich zu organisieren. Die ersten Keimzellen sind da, eine Universität und eine Fachhochschule gibt es auch und seit ein paar Jahren sogar einen internationalen Flughafen. Zusammen mit der atemberaubenden Landschaft, dem urbanen Stadtkern und den vielfältigen Freizeitmöglichkeiten in den Bergen und an oder auf der See: ein optimaler Standort für ein „Kalamata Valley“.

Kalamata_Valley_2

Ich bin gespannt, wie sich das weiter entwickelt, und bleibe schon aus persönlichem Interesse sicher dran.