Ich freue mich immer wieder, wenn deutsche Medien über griechische Startups und Unternehmen berichten. Leider immer noch viel zu selten, aber diesmal hat die Deutsche Welle einen sehr schönes Video über i-kiosk erstellt – und das ohne das Wort Krise zu verwenden. Weiter so!
Wie ich im Blogbeitrag hier schon erzählt habe, finde ich die Idee von Fanis Koutouvelis, Orestis Tzanetis und Konstantinos Kazanis schon deshalb so spannend, weil i-kiosk eine Lösung für eine sehr typische Zielgruppe in Griechenland bietet, in denen Kleinstgeschäfte und Kiosks immer noch die größte Einzelhandelsinstitutionen sind. Und das Beste: Die Idee ist übertragbar in andere Länder mit ähnlichen Strukturen.
Hier gehts zum Video:
Liebe Deutsche Welle, vielen Dank! Falls Sie noch mehr positive Beispiele aus Griechenland suchen, können Sie sich gerne Anregungen aus diesem Blog holen.
Jeder, der schon mal in Griechenland war, kennt ihn: den Kiosk an der Ecke. Maximal 2-3 m² groß und vollgestopft mit allem, was das Herz begehrt. Es ist unglaublich, was man dort alles finden kann, von erwarteten Produkten, wie Zigaretten, Zeitungen oder Kaugummis über klassische Supermarkt-Produkte, wie Getränke, Rasierklingen, Shampoos, Zahnpasta etc. bis hin zu allem, was einem zwischendrin so einfällt, wie Fahnen, Blöcke, T-Shirts, Geldbeutel, Gürtel etc., und das man auch mal spontan kauft. Mich haben diese Kiosks in meiner Jugend in Athen oft an die Micky-Mouse-Figur Eega Beeva (dt. Gamma) erinnert, der aus seinen Hosentaschen unendlich viele hilfreiche Gegenstände ziehen kann und in seinen kurzen Shorts ein schier unendliches Lager vermuten lässt.
Startseite von i-Kiosk (aktuell nur auf Griechisch)
In der Business-Welt spricht man eher von Small-Retail-Markets und meint damit genau diese kleinen Geschäfte, die meistens von einer Familie betrieben werden und so sehr das Bild von Griechenland, aber auch vielen anderen Ländern prägen. Manchmal ist es ein Kiosk, manchmal auch ein kleiner Eckladen oder ein Mini-Market. Was ich nicht wusste ist, dass der Umsatz dieser kleinen Einzelhändler in Griechenland mehr als 50% des gesamten Einzelhandels ausmachen. Da sie, jeder für sich genommen, jedoch außerhalb des sichtbaren Bereichs für die großen Konzerne sind, gibt es kaum Software-Lösungen, die solche Kiosk-Besitzer bei ihrer Arbeit unterstützen.
Die Entstehungsgeschichte – eine neue Lösung für ein altes Problem
Das griechische Unternehmen i-kiosk hat dies erkannt und aus dem Nichts eine erstaunliche Lösung hervorgezaubert, die sich inzwischen großer Beliebtheit erfreut. „Der Freund eines Freundes ist ein Kiosk-Besitzer und hat gefragt, ob wir ihm nicht helfen können eine Anwendung zu schreiben, mit der er sein Geschäft besser organisieren kann“, sagte mir Fanis Koutouvelis zur Entstehungsgeschichte. Die drei Gründer Fanis Koutouvelis, Orestis Tzanetis und Konstantinos Kazanis sind hellhörig geworden und haben eine kleine Analyse gemacht, indem sie weitere Kiosk-Besitzer gefragt haben, ob ihnen so ein System helfen könnte. Das Ergebnis war, dass 80% aller Befragten sofort Interesse gezeigt haben – eine neue Geschäftsidee war geboren.
Der Gründer von i-Kiosk Fanis Koutouvelis
Die Anwendung – keep it simple
Sie haben sich wenige tausend Euro von ihren Eltern geliehen und losgelegt. „Wir mussten eine extrem einfache Lösung schaffen, da die meisten Besitzer mit komplexen ERP-Lösungen völlig überfordert sind“, so Fanis Koutouvelis. Das Ergebnis ist eine kleine Standardhardware mit Touchscreen in 2-3 Ausführungen mit vorkonfigurierter Software. Der Clou ist das Plug-and-Play-Prinzip: Der Besitzer muss die Box nur anschließen und schon hat er Zugriff auf ein riesiges Sortiment an Artikeln.
i-kiosk im Einsatz
0€-Marketing-Budget, 25 Millionen Transaktionen, 100 Millionen € in einem Jahr
Da die drei Gründer kein Geld für Marketing hatten, haben sie eine 0€-Marketing-Kampagne gestartet, indem sie mit der Lösung vor allem die Presse angesprochen haben. Offensichtlich war die Lösung so bestechend, dass inzwischen nicht nur in griechischen Zeitungen, sondern sogar im Economist und dem Wall-Street-Journal über sie berichtet wurde. Parallel dazu spricht sich die Einfachheit der Lösung wie ein Lauffeuer unter den Mini-Market- und Kiosk-Besitzern in ganz Griechenland herum. „Wir haben inzwischen in 26 der 54 Regionen Griechenlands Kunden und selbst aus den abgelegensten Ecken bekommen wir Anfragen“, berichtet Fanis Koutouvelis stolz. Innerhalb von einem Jahr verzeichnen sie auf ihrem System mehr als 25 Millionen Transaktionen mit über 100 Millionen Euro Umsatz über diese Transaktionen.
Hier noch ein kurzer Auftritt des gerade mal 25-jährigen Gründer Fanis Koutouvelis auf Ignite Athens:
… und jetzt geht es erst los
Alles, was sie innerhalb eines Jahres aufgebaut haben, haben sie aus eigener Anstrengung geschafft und ohne Budget. Inzwischen beschäftigen sie drei weitere Mitarbeiter und sogenanntes „smart money“ ist auf sie aufmerksam geworden. „Wir wissen, dass wir mit einem ERP für den kleinen Einzelhandel keinen weltweiten Hype auslösen. Aber Griechenland dient für uns als optimales Feld, um unser Produkt und unsere Dienstleistungen zu erproben. Im zweiten Schritt wollen wir in die großen Märkte vorstoßen, die eine ähnliche Einzelhandelsstruktur wie Griechenland haben, aber als Märkte wesentlich größer sind“, so Fanis Koutouvelis.
Übersichtliche Auswertung des Umsatzes mit i-Kiosk
Je weiter sie fortschreiten, desto mehr Chancen sehen sie auch im Bereich des B2B-Marktes und in der Expansion in weltweite Märkte. Ich habe mich noch eine ganze Weile mit Fanis über das Potential unterhalten, aber ich halte mich mal zurück, da hierzu diverse Gespräche mit Investoren laufen. Ich berichte über die Entwicklungen von i-kiosk bestimmt in einigen Monaten noch einmal.
i-kiosk als Paradebeispiel
Nikos Moraitakis von workableHR hat mich auf i-kiosk aufmerksam gemacht und ich muss ihm beipflichten: Für mich ist i-kiosk das Paradebeispiel eines griechischen Startups – es nutzt die lokalen Rahmenbedingungen und Erfahrungen in Kombination mit europäischem Sachverstand und Technik-Know-how, um einen echtes Problem mit einer innovativen Lösung zu adressieren. Es schafft dabei aus dem Nichts Arbeitsplätze und eine begeisterte Nutzergemeinde, die schon seit Jahren auf eine solche Lösung gewartet hat.