Kinems

Spielend lernen nach pädagogischen Gesichtspunkten

Anders als meine Eltern war ich schon als 15-Jähriger davon überzeugt, dass mir die vielen Stunden an Spielkonsolen und vor dem Commodore 64 etwas bringen. Schnelle Reaktionen waren gefragt, Mitdenken und vor allem der Ehrgeiz, auch eine schwierigere Mission zu erfüllen, und natürlich die Bestätigung, wenn man etwas geschafft hat, was ein paar Tage vorher noch unvorstellbar war.

Die Spieleindustrie ist inzwischen eine der Boom-Branchen schlechthin. Viele Eltern denken dabei vermutlich mit Horror an Ego-Shooter oder irgendwelche düsteren Phantasiewelten. In den letzten Jahren wird jedoch immer mehr erkannt, dass Spielen ein Mittel ist, mit dem man gezielt etwas lernen kann. Neudeutsch heißt das Gamification, also die Anwendung spieltypischer Elemente und Prozesse in spielfremdem Kontext (siehe auch hier).

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Gamification und Lernen

Oft werden Gamification-Ansätze eher im Aufbau einer Fangemeinde (Community) eingesetzt, wie beispielsweise das Sammeln von Statuspunkten (Badges) bei Locish, die den Ehrgeiz wecken sollen, in einer Gruppe eine gewisse Reputation zu erlangen. Immer häufiger werden auch Techniken entwickelt, innerhalb von Unternehmen oder Schulen per Gamification auf bestimmte Verhaltensmuster aufmerksam zu machen, um diese ins Positive zu ändern, wie es etwa Intelen im Bereich des Energieverbrauchs anstrebt.

Ich bin kein Pädagoge, aber ich vermute, dass Spielen schon immer eine der besten und am wenigsten beachteten Möglichkeiten war, etwas über sich und sein soziales Umfeld zu lernen – und natürlich, um bestimmte Fähigkeiten zu trainieren. Genau hier setzt das griechische Startup Kinems an, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Kindern mit Entwicklungsstörungen zu helfen, bestimmte Fähigkeiten durch speziell entwickelte und auf die Kinder eingestellte Spiele zu trainieren.

Wissenschaftliche Trainingsmethoden auf Spiele übertragen

Für motorische Störungen oder Lern-, Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörungen, wie Dyslexie, Autismus oder ADHD, existieren viele wissenschaftlich nachgewiesene Trainingsmethoden, mittels derer die Kinder diese teilweise oder ganz abtrainieren können. Typische Probleme sind beispielsweise Schwierigkeiten, Gesehenes mit Bewegungen zu koordinieren, Planung und Durchführung von bestimmten Bewegungsabläufen oder auch Konzentrationsschwierigkeiten oder ein schlechtes Kurzzeitgedächtnis. „Unsere Idee ist es, diese wissenschaftlichen Methoden und die typischen Übungsaufgaben in Spiele zu übersetzen“, so Michalis Boloudakis, einer der Gründer von Kinems. „Um das zu erreichen, arbeiten wir direkt mit Therapeuten zusammen, die uns die Übungen erklären, die sie mit den Kindern durchführen. Diese Übungen überführen wir dann in einen spielerischen Ablauf.“

Die Technologie für die Spiele basiert auf Microsoft Kinect für Windows, mit der Spieler allein durch Körperbewegungen die Software bedienen können. Ein Beispiel für so eine Übung eignet sich für den Bereich der Grobmotorik. Die traditionelle Methode sieht vor, dass ein Kind mit der Hand immer wieder unterschiedliche, aber gleichmäßige langsame Bewegungen vor einem Spiegel durchführt. Kinems hat genau diese Abfolgen in ein Spiel mit dem Namen Walks übersetzt, in dem der Spieler die Hauptfigur des Spiels entlang eines Pfades an unterschiedlichen Hindernissen vorbei führt.

Viele spezialisierte Spiele, viele Analysemöglichkeiten für die Therapeuten

Sechs solcher Spiele sind schon fertig und das siebte folgt demnächst. „Wir versuchen alle 1-2 Monate ein neues Spiel zu veröffentlichen, das dann immer weitere Übungen enthält“, sagt Michalis. Der rein spielerische Aspekt ist schon ein großer Wert, da Übungen für die Kinder interessanter werden und nicht mehr den Charakter einer Pflichtaufgabe haben.

Allerdings geht die Lösung von Kinems noch wesentlich weiter. Alle Spielestände, Erfolge und Misserfolge werden mit einer zentralen Anwendung synchronisiert, über die Therapeuten nicht nur den Fortschritt beobachten, sondern auch das Spiel konfigurieren können. Wenn sie also merken, dass das Kind eine Übung bereits sehr gut macht, können sie die Übung variieren und den Schwierigkeitsgrad erhöhen. Ebenso können sie das Tempo drosseln, um dem Kind frühe Erfolgserlebnisse zu geben und weiter mit ihm üben. Über diese zentrale Verwaltung kann darüber hinaus der Therapeut den Fortschritt eines Kindes im Vergleich zur Altersgruppe messen und gegebenenfalls ebenfalls das Programm auf den aktuellen Bedarf einstellen.

Die Unternehmer, das Geschäftsmodell und erste Erfolge

Das Unternehmen wurde im Februar 2012 von Michalis Boloudakis  und Simos Retalis  gegründet. Das Team besteht außer ihnen aus den vier Entwicklern bzw. Designern Valantis Kefalidis, Akis Volanis, Panos Vlamis und Alexandros Podaras. Besonders wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit Pepi Kolara, Expertin für Therapiemethoden für Kinder mit Behinderungen. Sie testet die Spiele in ihrem eigenen therapeutischen Zentrum und kann dadurch direktes Feedback aus der Praxis geben.

kinems-Team

Kinems spricht mit den Spielen ausschließlich Spezial-Therapeuten in entsprechenden Kliniken und Zentren an. Möchte eine solches Zentrum die Spiele in das Therapieprogramm aufnehmen, muss es die Lösung für einen geringen Jahresbeitrag abonnieren und kann dann alle aktuell verfügbaren Spiele für alle betreuten Kinder nutzen. Wenn ein Therapeut der Meinung ist, dass das Kind zu Hause bestimmte Übungen weiter machen soll, kann er den Eltern auch eine kostenlose Home-Edition mitgeben.

„Wo wir auch anrufen, wir stoßen auf großes Interesse“ meint Michalis. „Eigentlich liegt es auf der Hand, die neuen Möglichkeiten von Kinect für die Verbesserung der Grobmotorik zu nutzen“. Vor einem Monat haben sie mit dem Vertrieb angefangen und konnten bereits 10 therapeutische Zentren in Griechenland und Holland gewinnen. Aktuell ist das Team für 3 Monate in Amsterdam bei dem renommiertesten Accelerator, dem Startup Bootcamp. Dass das Team und die Idee nicht nur mich überzeugt hat, zeigt auch, dass Kinems eins der wenigen Startups Europa ist, das von den über 500 Bewerbungen für das Startup Bootcamp ausgewählt wurden. Aktuell sind sie in Gesprächen mit Geldgebern und ich bin sicher, dass sie schnell erfolg haben werden.

Ich bin begeistert von dem Team und der Ausführung und bin mir sicher, dass Kinems noch sehr viel Beachtung in Europa und den USA finden wird.

Zum Schluss noch die offizielle Präsentation über Kinems als Video: