Vouliwatch

Mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung

Die alten Griechen haben viel über Staatsformen nachgedacht. Das ist vermutlich bekannt. Nach Analyse ihrer jeweils aktuellen Situation haben sie sich ihre Gedanken gemacht und neue Modelle zur Beschreibung der Staatsformen entwickelt und teilweise angewandt –im Streben, korrigierend einzugreifen und eine kontinuierliche Verbesserung herbeizuführen. Am prägnantesten ist vermutlich der Ansatz von Aristoteles, alle möglichen Varianten der Regierungsform in sechs Archetypen aufzuteilen: nach Anzahl der Herrscher und der Zielgruppe.

Staatsformen nach Aristoteles (Quelle: Wikipedia)

Staatsformen nach Aristoteles (Quelle: Wikipedia)

Ich habe mich schon immer gefragt, wieso sich am Ende der Begriff „Demokratie“ für die heutzutage anerkannte ideale Staatsform durchgesetzt hat und nicht „Politie“ (Πολιτεία), aber das führt hier vermutlich zu weit. Wichtiger ist viel mehr, dass Aristoteles eine Staatsform vorschwebte, in der „das Volk über die Wahl der Beamten und die Kontrolle ihrer Amtsführung seinen rechtmäßigen Anteil an der Regierung hat, die insgesamt zum allgemeinen Wohl und nicht zu Lasten eines Teils des Staates ausgeübt werden sollte“. (Quelle: Wikipedia)

Vouliwatch_Startseite

Zentrale Internetplattform für Information und Kommunikation

Um diese Kontrolle als Volk überhaupt ausüben zu können, benötigt man zunächst mal Transparenz des Handelns der Akteure und öffentliche Informationen. Genau hier setzt Vouliwatch an („Vouli“ bzw. Βουλή ist das griechische Wort für Parlament).

Vouliwatch ist als Nichtregierungsorganisation im März 2014 in Griechenland gestartet und betreibt die gleichnamige Internetplattform. „Wir haben auf der Plattform Profile für alle griechischen Abgeordneten im Parlament und im Europaparlament eingerichtet und sie ermutigt, sich an der Plattform aktiv zu beteiligen“, so Antonios Schwarz, einer der Gründer von Vouliwatch. „Am Anfang sind wir auf einiges Misstrauen gestoßen, aber inzwischen beteiligen sich immer mehr Abgeordnete und gehen auf die Fragen und Anregungen der Bürger ein“, so Antonios weiter. Um mehr Transparenz herzustellen, geht es Vouliwatch vor allem um vier Aspekte:

  • Jeder Bürger sollte die Abgeordneten direkt fragen können und auch Antworten bekommen.
  • Durch Crowd-Sourcing der Gesetzgebung können sich Bürger mit eigenen Vorschlägen einbringen oder auch einfach nur Bewertungen und Kommentare zu aktuellen Gesetzesvorschlägen abgeben.
  • Jeden Monat gibt es ein Schwerpunktthema, über das Vouliwatch Gespräche online durchführt oder Events mit Teilnahme der Abgeordneten organisiert.
  • Und schließlich ist da noch „VoteWatch“, in dem jeder nachlesen kann, wie welcher Abgeordnete zu einem bestimmten Gesetz abgestimmt hat.

Crowd-Funding-Kampagne

Normalerweise spreche ich an dieser Stelle von einem Geschäftsmodell. Das ist bei einer Nichtregierungsorganisation natürlich schwierig. Vouliwatch wurde bisher rein mit eigenen Geldern und Engagement aufgebaut und die Organisatoren sind auch bereit, die Plattform weiter auszubauen und zu betreiben. Sie führen Gespräche mit internationalen und nationalen Stiftungen, die die Idee der Transparenz und der Verbesserung der Bürgerbeteiligung teilen.

Als ein zusätzliches Mittel der Finanzierung haben sie vor drei Tagen eine Crowdfunding-Kampagne auf Indigogo gestartet. Das passt auch zum Ansatz der direkten Beteiligung. Obwohl sich die Kampagne vor allem an Griechen wendet, ist natürlich jeder willkommen mitzumachen. Ich habe selbstverständlich auch meinen Beitrag geleistet – wenn ihr wollt, könnt ihr ab 5 Euro ebenfalls dabei sein:

Vouliwatch auf Indigogo unterstützen.

Einbettung in europäische Initiativen

Aktuell besteht das Team aus sieben direkten Mitarbeitern und vielen Unterstützern. Die ursprüngliche Idee wurde übrigens in Deutschland geboren und die erste Plattform dieser Art war http://www.abgeordnetenwatch.de/. Neben Vouliwatch in Griechenland gibt es inzwischen ähnliche Initiativen in Irland, Luxemburg, Tunesien, Frankreich, Österreich und Marokko.

Vouliwatch_Team_SW

Dabei scheinen sich die Initiativen gegenseitig zu befruchten. Man kennt sich, diskutiert miteinander, was funktioniert und was nicht, und entwickelt ständig neue Ideen. So experimentiert Vouliwatch beispielsweise damit, nicht nur vorhanden Gesetzestexte zu kommentieren, sondern gleich neue Gesetzesvorschläge über die Community zu entwickeln und als Vorschläge einzubringen.

Auch wenn noch nicht alle Mitgliedstaaten der EU dabei sind, merkt man doch, dass sich der Ansatz der direkten Beteiligung und die Erhöhung der Transparenz der Parlamente langsam als soziale Bewegung und mit modernen Mitteln der Kommunikation etabliert. Das wäre sicherlich auch ein interessanter Ansatz für die EU selbst.

Ich freue mich, dass Griechenland eines der ersten Länder ist, in der neue Formen der Bürgerbeteiligung und Transparenz ausprobiert werden.

Aristoteles würde sich bestimmt auch freuen.

Vouliwatch_Team_Farbe