Was ist ein griechisches Startup?

Ein neues Jahr gibt immer wieder Anlass, sich ein paar Fragen zu stellen, die man sich schon des Öfteren gestellt hat, und diese zur Abwechslung auch mal zu beantworten. Nach nunmehr 38 Monaten und 54 griechischen Startups, die ich hier auf diesem Blog vorgestellt habe, möchte ich auf eine Frage zurückkommen, die ich relativ früh unbeantwortet gelassen habe:

„Was ist eigentlich ein griechisches Startup?“

Ich könnte die gleiche Frage natürlich auch für „deutsches Startup“ oder „finnisches Startup“ stellen, aber das würde meine Bloggäste, die wissen, dass ich über griechische Startups schreibe, vermutlich verwundern.

Ich könnte es mir natürlich einfach machen. Da ich der einzige bin, der regelmäßig im deutschsprachigen Raum über griechische Startups schreibe, habe ich ja quasi Definitionshoheit. Meine Antwort könnte also lauten:

„Ein griechisches Startup ist ein Unternehmen, das auf ‚Eulen aus Athen‘ vorgestellt wurde“.

Es würde mir zwar viel Anerkennung bringen, wenn irgendwann diese Definition in Wikipedia oder gar im Duden erscheint, aber so einfach will ich es mir dann doch nicht machen. Außerdem wäre die Definition spätestens dann nicht mehr haltbar, wenn mal ein zweiter Blogger auf die Idee kommt regelmäßig über griechische Startups zu berichten. Bei inzwischen 500 Gründungen von Startups in Griechenland im Jahr (Quelle DLF) gibt es ja genug Stoff zum Schreiben und ich bin mir sicher, dass früher oder später jemand anderes auf diesen Megatrend aufspringen wird.

Also muss ich doch etwas weiter ausholen. Dazu möchte ich zwei recht verbreitete Definitionen des Begriffs „Startup“ bemühen. Zunächst die von Eric Ries: “A startup is a human institution designed to deliver a new product or service under conditions of extreme uncertainty”. Die Definition finde ich völlig unpassend. Was soll denn bitte „extreme Unsicherheit“ heißen? Wenn ich die letzten Jahre Revue passieren lasse, würde ich sagen, dass jedes Unternehmen in Griechenland Bedingungen der extremen Unsicherheit ausgesetzt war, aber das macht es noch lange nicht zu einem Startup. Außerdem bewegt man sich als Unternehmer sowieso in einem unsicheren Umfeld. Wenn es so etwas wie Sicherheit bei einer Unternehmensgründung geben würde, würden das ja alle machen.

Also dann doch die zweite und vermutlich bessere Definition von Steve Blank:

“A startup is a temporary organization used to search for a repeatable and scalable business model.”

Die Definition ist weit verbreitet und akzeptiert. Der Übergang von einem Startup zu einem „richtigen Unternehmen“ ist etwas schwammig, aber das macht nichts. Damit kann man arbeiten. Spannender finde ich die Fragen nach dem „griechisch“ in „griechisches Startups“. Hier bieten sich gleich mehrere Varianten einer Definition an, die aber wiederum neue Fragen aufwerfen:

  • „Wurde von Griechen gegründet“. Einer oder alle Gründer sind Griechen? Haben sie einen griechischen Pass oder griechische Vorfahren? Was ist mit Deutschen, die in Griechenland ein Startup gründen? (da fallen mir spontan 2 ein, über dich ich noch nicht geschrieben habe). Was ist mit Griechen, die in Deutschland leben und hier ein Startup gründen? (da kenne ich mindestens 5, über die ich noch nicht geschrieben habe).
  • „Wurden in Griechenland gegründet“. Hört es auf griechisch zu sein, wenn es den Sitz verlegt (was nicht selten passiert) oder gleich woanders gegründet wird (was auch nicht selten passiert), auch wenn die gesamte Mannschaft weiterhin in Griechenland sitzt?
  • „Entwickelt in Griechenland“. Was ist mit deutschen Gründern, die in großem Maße Entwickler in Griechenland beschäftigen? (Gibt es auch).

Nach Percy Bysshe Shelley, die sich vermutlich auf Isokrates Panegyrikos (50) bezieht, sind wir sowieso alle Griechen (“We are all Greeks. Our laws, our literature, our religion, our arts, have their root in Greece.“)  – das vereinfacht die ganze Sache natürlich enorm und macht alle Startups zu griechischen Startups.

Ich muss zugeben, so ganz einfach, wie ich mir das vorgestellt habe, ist die Definitionsfindung dann doch nicht. Aber ich probiere es mal weiter. Bei der Gründung eines Unternehmens lässt man sich ja vermutlich von den Problemen und dem potentiellen Bedarf seines Umfelds inspirieren. Vielleicht ist es etwas, was der Gründer sieht, was nicht richtig funktioniert, was er selbst braucht und nirgendwo findet oder einfach, wovon er gehört hat, dass jemand es brauchen könnte und nicht finden oder lösen konnte. Nun gibt es in jedem Land (sogar in Griechenland) genug Probleme, über die man stolpern könnte. Und vermutlich sieht jemand, der in Finnland lebt, andere Probleme als jemand, der in Griechenland lebt. Ich möchte mal ein paar Beispiele nennen:

  • Auswahl von Taxis nach Qualitätskriterien: Taxibeat.
  • Einfache Anwendung für extrem kleine Geschäfte: i-kiosk von Intale.
  • Einfache Buchungsverwaltung für Familienhotels: Discoveroom.
  • Verwaltung des Ansturms an Bewerbern: Workable.
  • Sehnsucht nach mediterranen Delikatessen: MonthlyFlavors.
  • Wunsch von Touristen nach Kontakt zu Einheimischen: Dopios.

Das Problem, das ich jetzt habe, ist, dass ich damit die anderen 48 Startups und Unternehmen, die ich beschrieben habe, quasi ausschließe. Außerdem gibt es noch mehr Länder mit Qualitätsproblemen bei Taxis oder mit vielen kleinen Familienhotels. Griechenland ist zwar durch Leute, Geschichte, Raum, Sprache, Religion etc. irgendwie geprägt und damit (wie jedes andere Land auch) irgendwie einmalig, aber Probleme, die es tatsächlich nur in Griechenland gibt, fallen mir spontan keine ein (mal abgesehen von den noch zwar gelockerten, aber immer anhaltenden Kapitalverkehrskontrollen, über die aktuell kaum noch geredet wird).

Aber irgendetwas muss es doch geben, was mich all die Jahre instinktiv dazu verleitet hat, über ein Startup zu schreiben, oder eben auch nicht. Vielleicht finde ich ja noch eine Antwort auf meine Frage in den nächsten Jahren. Bis dahin folge ich einfach mal weiter meinem Instinkt, beschreibe Ideen und Unternehmen, die mir gefallen und irgendwie aus dem oben beschriebenen Dunstkreis kommen, und deklariere diese einfach zu griechischen Startups. Mir geht es ja primär darum, einen positiven Blick auf eine Ecke Europas zu lenken, die mir schon aus persönlichen Gründen am Herzen liegt. Und das mache ich natürlich weiterhin.

Ich wünsche euch ein gesundes, frohes und erfolgreiches neues Jahr!

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